Der Gong schlägt, es ist etwa 5 Uhr morgens und der Tag beginnt. Allmählich kehrt das Leben zurück und löst die sanfte Stille der Nacht ab. Die Novizen ziehen ihre Mönchskutten an, schwingen ihre sss um und finden sich zum Zähne putzen an den Waschgelegenheiten hinter der Gompa ein. Ein heiteres sonoriges Geplausche und Kichern macht Lust auf den Tag.

Zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr beginnt die erste Puja. Erfahrene Novizen und Mönchen leiten die Gebete und Gesänge an, tibetische Trompeten werden geblasen. Jede Puja hat ihren festen Ablauf, morgens wie abends. Nach wenigen Pujas geht einem der Rhythmus in Fleisch und Blut über. Als Gast ist man jederzeit eingeladen dabei zu sein, die Zeit zur Meditation zu nutzen oder bei dem frischen freudigen Ablauf der Zeremonie vollends in den Tag zu erwachen. An kalten Tagen, eingepackt in Decken, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, bekommt man mit einem verständnisvollen Lächeln eine Tasse heißes Wasser gereicht und wärmt dankbar seine Hände daran. Es ist alles herrlich unkompliziert.

Während ein Teil für das spirituelle Wohlergehen sorgt, übernehmen andere die Versorgung der Tiere oder bereiten das Frühstück zu. Eine frisch angerührte Zampa gibt die Energie für den Tag. Auch die Zampa kommt aus Tibet und wird aus gemahlener und gerösteter Gerste hergestellt. Das Mehl wird mit gesalzenem Buttertee verrührt, wenn man sich etwas gönnen möchte und kann, kommt noch ein Löffel Butter und etwas Zucker dazu.

Um 8.00 Uhr beginnt der Unterricht. Vorwiegend in buddhistischer und tibetischer Lehre, aber auch in Mathematik und English werden die Schüler unterrichtet. Nicht selten übernehmen ehrenamtliche Helfer aus Europa für einige Monate diese Aufgabe. Als traditionelles Mittagessen darf man Dhal Bat – ein Gericht mit Reis und Linsen, Kartoffeln und Gemüse – erwarten.

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Ab 12.00 Uhr geht der Unterricht weiter – es sind insgesamt 8 Klassenstufen – oder es ist Zeit für Self-Studies. Vor Allem vor der Prüfungszeit, die Mitte Dezember ist, sieht man die Novizen alleine oder in kleinen Gruppen lernen oder Gebete rezitieren; im Klosterinnenhof, die letzten Sonnenstrahlen einfangend, an der Stupa oder in ihren Kammern. Die Kleinsten sitzen im Speisesaal zusammen und üben gemeinsam die ersten Gebete. Feine Kinderstimmen sprechen und singen mantrenartig, die Lehre des Buddhas. Eine ansteckende und heitere Zufriedenheit und wohlige Wärme, wie nur Kinder es in die Herzen zaubern können, ergreift jeden. Ein Gefühl das man noch lange im Herzen tragen wird.

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Wer nicht im Unterricht ist, oder in den Self-Studies und lernt, hilft im klösterlichen Haushalt mit. Wiederaufbau- und Verschönerungsarbeiten gibt es nahezu immer – das Kloster wird liebevoll gepflegt und verschönert z. B. durch Malereien. Vor allem die Sonnenstrahlen des Morgens werden zum Trocknen von Mais, Gerste, Kürbiskernen oder Stroh genutzt. Verspricht der Tag Sonne, werden nach dem Frühstück aus den Lagerräumen Planen geholt und im Klosterinnenhof ausgebreitet, um darauf das zu trocknende Gut auszubreiten. Nach ein paar Tagen sind Mais und Gerste trocken und somit bereit für die Lagerung oder für die Aussaat im kommenden Frühjahr.

Bereits gegen 15.30 Uhr zieht sich der Nebel im Tal zusammen und der Abend kündigt sich an. Ein guter Moment sich in der Klosterküche einzufinden. Es gibt Buttertee und Zampa für alle, die auf dem Feld gearbeitet haben. Mit dem wärmenden Buttertee im Bauch, den man für den europäischen Geschmack mit etwas Wasser verlängern kann, zieht man sich in seinen Schlafsack zurück, bis die abendliche Puja gegen 17.30 Uhr beginnt. Oder man bleibt in der Klosterküche und schaut den teilweise sehr jungen Novizen beim Kochen zu und bestaunt, wie sei es schaffen, 100 Menschen zu versorgen und wie aus einfachsten Zutaten ein nahrhaftes und gut schmeckendes Abendessen entsteht. Man muss schon genau hinschauen, um zu sehen, wer von wem lernt und wer welche Rolle hat. Es ist nicht immer eine Frage des Alters.
Irgendwann ertönt der Gong zu Puja. Nicht die Uhr sondern die Sonne und der Gong geben dem Tag den Rhythmus. Der nächste Gong ruft zum Abendessen. Meist besteht es aus Reis, Kartoffeln und Dhal. Manchmal gibt es tibetische Momos, welche unglaublich köstlich sind und es in ganz Nepal keine besseren zu geben scheint.
Nachdem Abendessen ist für die Kinder nochmals lernen angesagt und gegen spätestens 21.00 Uhr sind alle im Bett.

Für uns Gäste wartet nach einer Tasse Tee oder heißem Wasser eine warme Bettflasche mit der wir zufrieden in Richtung unseres Schlafsackes gehen. Auf dem Weg überlegt man, was diese Nacht wohl die richtige Schlafkleidung ist. Mit oder ohne Mütze, Handschuhe eher nicht, die Hände sind im Schlafsack, aber mit zwei Paar Skiunterwäsche wird man wohl auch diese Nacht rechnen dürfen.

Die letzten kleinen Kinderfüßchen trampeln über den Holzboden und zufrieden und satt erfüllt schlummern wir ein, mit dem Gedanken, dass man morgen vielleicht mal Wäsche waschen könnte….

Evelyn Hanser