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18Jan/17

Die Kultur der Sherpas im Solu Khumbu – eine persönliche Schilderung

Solu Khumbu ist das Tal mit dem direkten Zugang zum Everest. Als ich 1985 das erste Mal in Nepal war, gab es dorthin noch keine gute Verkehrsanbindung über Straße oder Flugzeug. Der Bus fuhr bis Jiri und dann folgten vier Tage Fußmarsch und der Flughafen Phablu war eine Wiese und jede Landung ein Abenteuer. Flugpläne gab es nicht und beim Rückflug wusste man nicht genau, ob die Maschine heute kommt oder nicht.

Ich hatte seinerzeit die Ehre, dort den Lehrer des Dali Lamas, Trulshik Rinpoche, kennenzulernen. Er hat mir nicht gesagt, wer er ist; für mich war er ein alter Mönch, den ich ins Herz geschlossen hatte. Erst zwei Jahre später und auf Nachfrage haben mir die Sherpas erzählt, wer er ist. In seinem Kloster Thubten Choeling kamen die Flüchtlinge aus Tibet an und wurden dort erst einmal versorgt und „aufgepäppelt“. Ihre Flucht hieß, viele Monate zu Fuß unterwegs zu sein, war extrem anstrengend und im Grenzgebiet zu China sehr gefährlich.

In all den Jahren habe ich kein Volk kennengelernt, das friedlicher und zufriedener war wie die Sherpas. Sie hatten kein Licht, keinen Strom, keine Kaufhäuser und auch ich hatte in meinem Haus keine Möbel und keinen Komfort. Ich habe NICHTS vermisst. Die Menschen schenkten mir Geborgenheit und Lebensfreude. Ich habe einmal Sherpas gefragt, ob ich sie nach Kathmandu einladen darf, da ich Einkäufe zu erledigen hatte, aber sie haben dankend abgelehnt, da sie keinen Sinn darin sahen in die Stadt zu gehen.

Ich habe die Sherpas-Kultur in all den Jahren gut kennengelernt und weiß wie wichtig es ist, diese Tradition und Lebensweise auch in der heutigen Zeit zu erhalten. Trulshik Rinpoche hat mir nach Jahren unserer Freundschaft einmal gesagt, dass er Angst hat, dass die Sherpas eines Tages ihre Sprache, ihre Tänze und ihre Bräuche vergessen könnten. Damals hat er mir eine Sherpajacke geschenkt und mich gebeten, diese Jacke stets wie ein Sherpa bei einem Besuch eines hohen Lamas, bei ihm, einer Zeremonie oder anderen feierlichen Anlässen, die die Sherpakultur betreffen, zu tragen. Das war für mich eine große Ehre und ich halte mich immer daran.

Danke für Ihre Zeit, die Sie uns mit dem Lesen geschenkt haben.

Tashi Delek (Die Götter mögen Eure Wege begleiten)
Shuk Ten Sha  (verweilet in Ruhe)

Karl Frass